Wissenswertes über Alkohol - "Nicht trinken ist geil" - Selbsthilfegruppe für Suchtkranke und Angehörige

Begegnungsgruppe
für Suchtkranke und Angehörige e.V.
- Gifhorn -
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Die Jellinek'schen Phasen?
Oder doch lieber etwas aktueller und eine andere Sichtweise?
Wer ist Alkoholiker - Süchtiger - Betroffener!

Alkoholiker ist, wer den ganzen Tag schlecht frisiert auf einer Parkbank liegt, ins Gebüsch pinkelt und grundsätzlich stinkt wie ein alter Turnbeutel.

Das hätten sie gerne, unsere sauberen süchtigen Freunde aus dem gutbürgerlichen Milieu! Frei nach Sartre: Die Alkoholiker sind immer die anderen! Ha! Und daheim hocken sie jeden Abend in ihren renovierten Altbauwohnungen vor hohen Bücherregalen im orthopädischen Ohrensessel und brennen sich einen, als gäbe es kein Morgen! Während die Filterzigarette nicht mehr ausgeht! Aber das Klischee des Alkoholikers als obdachloser Penner zieht sich durch alle Schichten. Damit sind nämlich alle fein raus, die sich regelmäßig die Kante geben, denn - Alkoholiker ist ja nur, wer mit 30-Tage-Bart auf dem Bahnhofsvorplatz bettelt und auf der Parkbank schläft. Und in seinem Turnbeutel weiße Mäuse hält.

Ca. 40,8 Mio. Bundesbürger über 18 pflegen einen “risikoarmen Konsum”. Ein “riskanter Konsum” liegt bei ca. 4,8 Mio. Bundesbürgern vor, 2,7 Mio. betreieben einen “gefährlichen Konsum” und ca. 1,7 Mio. gelten als alkoholkrank. ( Andere Quellen sprechen von 2,5 Mio. Kranker ) Macht wohlwollend gerundete 10 Millionen, die ernsthaft in Sachen Alkohol unterwegs  sind.
Alle diese Angaben gibt die Hauptstelle für Suchtfragen mit der Einschränkung heraus, dass es sich letztlich nur um niedrige Schätzwerte handeln kann, da »ein hoher Alkoholkonsum nicht immer korrekt angegeben werden dürfte.... Hinzu kommt, dass gerade besonders stark Konsutierende nur eingeschränkt erreichbar sein dürften.« Mit anderen Worten: Vieltrinker schummeln ihre real existierende Schlagzahl bei Umfragen gerne runter, und der Großteil der Hochkonsumenten  sagt  gar  nicht  erst  aus, weil  er  gerne mal  im  Koma liegt.

Diaknose offiziell
Einigen  wir  uns  für  heute  auf 10. Mio. mit  ständigem Alkoholkontakt. Da die Parkbank allein also offenbar kein eindeutiges Indiz für Alkoholismus ist, gibt es andere Kriterien, und einige der offiziell benutzten Krankheits-Kataloge sollten Sie kennen.

Beginnen wir - damit wir’s schneller hinter uns haben - mit dem Oldie und Evergreen “Jellinek”. Der amerikanische Forscher Elvin Morton Jellinek und seine 60 Jahre alte Typologie ist für jeden aus der suchtverarbeitenden Industrie ein Begriff. Den Jellinek kennt jeder.
Alpha-, Beta-, Gamma- Delta- Epsilon-Trinker
Die genauen Ausführungen dazu finden Sie jederzeit im Internet über eine Suchmaschine. Sie sollten aber unbedingt googlen, worum es sich bei Jelinek handelt, denn landauf, landab wird noch immer mit der, vor 60 Jahren aufgestellten, Typologie gearbeitet.

Wir verfolgen mal:
Eine etwas andere Sichtweise auf die Dinge
Neueren Datums gibt es z.B. C. Robert Cloninger und T. Barbor
Beide haben sich für eine Einteilung der Trinker in zwei Typen ent-
schieden.

Hier das Zwei-Typen-Modell der beiden in einer groben Zusammen-
fassung:

Typ A ist der Trinker mit einer guten therapeutischen Prognose: Er kommt aus einem relativ intakten Umfeld, startet seine Karriere spät (mit 25, 30 Jahren), und seine Sauferei nimmt einen milden Verlauf bei relativ wenig Flurschaden in Sachen Gesundheit und sozialem Umfeld.
Typ B dagegen startet früh durch, schwerer Verlauf, hat eine schlechte Prognose und auch sonst die  Arschkarte gezogen. Ist  laut Cloninger genetisch vorbelastet und männlich.

Reicht eine grobe Zusammenfassung?

Vorzuziehen wäre hier bestimmt:
Die diaknostische Trinker-Einteilung ICD-10 (Internationale Krankheits-Kategorien) der Weltgesundheitsorganisation WHO oder der DSM IV der Amerikanischen Psychiatrischen Association APA

Deren Leitfäden sind im folgenden, der Klarheit halber, ein wenig miteinander vernüpft:

Als rikanter Konsum gelten mehr als 20 Gramm reinen Alkohols pro Tag bei Frauen und mehr als 40 Gramm pro Tag bei Männern. (Zur Erinnerung: 20 g = 0,5 ltr. Bier, 0,2 ltr. Wein)

Als gefährlicher Konsum/Alkoholmissbrauch gilt das gewohn-
heitsmäßige Trinken um der Wirkung willen (Erleichterung und Co.), das körperliche und/oder seelische Schäden zur Folge hat (Ängste, Depressionen, Impotenz, Schlafstörungen etc.) Auch soziale Prob-leme werden in Kauf genommen. Dennoch gilt der Missbraucher noch nicht als abhängig.

( Körperliche Konsumgrenzwerte Männer: zwischen 1,5 und 3 Liter Bier am Tag, bzw. 0,6 - 1,2 Liter Wein. Bei Frauen: zwischen einem viertele Wein und 0,8 Litern Wein. Oder ab dem 4. Likörchen, meine Damen! )

Eine Alkohoabhängigkeit als psychatrische Erkrankung liegt vor bei:

• einem oft starken, gelegentlich übermächtigen Wunsch Alkohol zu
  konsumieren ( Suchtdruck, auch >Craving< genannt )
• einer Vernachlässigung von allem, was nichts mit der Flasche zu
  tun hat, wie Familie, Freunde, Job, Gesundheit, Aussehen, Anse-
  hen, Überweisung der Miete ( Parkbank !! )
• Dosisisteigerung ( wegen der Toleranzsteigerung )
• Kontrollverlust
• Entzugserscheinungen bei Absetzen des Stoffes
Als Kontrollverlust bezeichnet der Fachmann nicht den Zustand, wenn Sie unter Alkoholeinfluss Ihren Chef anpöbeln, gegen eine Ampel donnern oder Ihren Nachbarn vergewaltigen.
Kontrollverlust bedeutet, dass Sie ein für sich vorab geplantes Trinksystem nicht mehr einhalten können. Der Fachmann nennt dies: Nicht mehr über Trinkbeginn, Trinkmenge, Trinkende entscheiden zu können. Also den Verlust der Kontrolle über den Konsum.
Z.B. nehmen Sie sich fest vor, nur am Samstagabend zu trinken. Stattdessen haben Sie bereits am Freitag einen kleben. Und so weiter: Aus dem Feierabend-Trunk wird ein Nachmittags-Aperitif, aus dem Nachmittags-Aperitif wird ein Morgen-Piccolo - das ist ein Kontrollverlust über den Stundenplan. Andere Trinker verlieren die Kontrolle über die geplante Menge: Eigentlich will man in seiner Kneipe nur ein Viertele Liebfrauenmilch zu sich nehmen und ruft plötzlich:
“Scheiß drauf! Bring mir ne Flasche!” Oder Sie verlieren die Kontrolle über alles:
“Bring mir ne Flasche, bis zum abwinken”.
Soweit einige offizielle Kategorien. Nun ein alternatives Schema.

Das Boro-Schema

Es ist unkompliziert und leuchtet sogar mir ein. Ich habe hierfür schamlos einige Versatzstücke aus den offiziellen Suchtkatalogen geklaut, aber dennoch handelt es sich nicht um “alten Wein in neuen Schläuchen”
( Regieanweisung: joviales Lachen )
denn ich habe a) meine eigenen Feldstudien aus Entgiftung, Therapie und Suchthilfe eingebracht, und b) gehe ich wesentlich kulanter mit dem Begriff “Abhängigkeit” um. Kulanter im Sinne des Körpers. Also rigider im Sinne des Schluckspechts. Außerdem habe ich ein nagelneues Kriterium erfunden, von dem ich hoffe, dass es als “das Kalender-Kriterium” Eingang in die offizielle Trinker-fachliteratur findet ....

1. Hobby-Trinker. Trinken risikoarme Mengen in risikoarmen Abständen. Machen sich so gut wie nie Gedanken über Alkohol. Trinken ist eine Ausnahme  ( “Zur Feier des Tages” ) Abstinenz hingegen ist so normal, dass der Hobby-Trinker nicht auf die Idee käme, seine alkoholfreien Zeiten im Kalender zu markieren.

2. Amateure. Stehen bereits in einem gewissen Trink-Training, trinken also regelmäßig und/oder bereits mehr als nur zur Feier des Tages. Abstinenz ist möglich, wird jedoch als Einschränkung/Diät/Zwangspause wahrgenommen. Der Kauf eines Trink-Kalenders würde sich bereits amortisieren, da wären schon regelmäßige Trink-Einträge vorhanden. Körperliche oder seelische Trinkschäden halten sich in Grenzen und werden in Eigenregie auskuriert.

3. Profis. Haben kaum noch oder nur unter Kraftaufwand Entscheidungsgewalt über Trinkmenge und/oder Trinkzeiten. Profis sind körperlich chronifiziert; der Körper hat Alkohol als dazugehörigen Bestandteil in seine Abläufe integriert. Das heißt: Die einen müssen ihren Spiegel halten, weil sie sonst in den Entzug rauschen. Bei den anderen schaltet der Körper auf Saufautomatik, sobald Alkohol zugeführt wird. Die Beziehung Körper-Seele-Alkohol führt ein Eigenleben bzw. ein unabhängiges Abhängigkeitsleben. Der Kalender platzt vor Markierungen aus allen Nähten. Alkoholfreie Zeiten sind zäh erkämpfte Zeiten. Viele Profis können durchaus im Alltag “Normalität” vorgaukeln. Sie versuchen, ihr “öffentliches” Leben heimlich um ihren Dauerdurst herum zu drapieren. Wenn nötig mit der Brechstange. Schutz durch Co. Abhängige und Schauspielerei nonstop sind an der Tagesordnung. Profis hocken dabei aber hinter ihrer Kulisse ( tagsüber in Konferenzen oder am Fließband oder Geschichte und Deutsch vor der 7c ) bereits auf der Parkbank.

4. Voll-Profis. Pfeifen auf Kulissen, weil die ihnen eh niemand mehr abnimmt. Haben sich Körper & Seele in Grund und Boden gesoffen, leben alternierend zwischen Kiosk und Entgiftung und können “Kalender” nicht mehr buchstabieren. Das normale Leben ist blau, abstinente Phasen finden nur noch unter Aufsicht von Pflegepersonal statt. Oder das Pflegepersonal ist fester Bestandteil des normalen Lebens geworden. ( Heim, Betreutes Wohnen )

5. Ehrenamtliche. Abstinent lebende Profis. Haben die Gosse vor Augen und den Kalender im Blick. Können meist auf den Tag genau sagen, wann sie das letzte Glas bzw. Fläschchen zu sich genommen haben.

   (Quelle: ALK - Simon Borowiak)
Bin ich schon abhängig?
Eine Alkoholksucht ist anzunehmen, wenn Sie im CAGE-Test mehrere Fragen mit JA beantworten können.

CAGE-Test
(CAGE: Cut down drinking, Annoying, Guilty, Eye opener)

Haben Sie jemals daran gedacht, weniger zu trinken?
Haben Sie sich schon mal über Kritik an Ihrem Trink-
          verhalten geärgert?
Haben Sie sich jemals wegen Ihres Trinkens schuldig ge-
          fühlt?
Haben Sie jemals morgens zuerst Alkohol getrunken, um
          sich nervlich zu stabilisieren oder den Start in den
          Tag zu erleichtern?

Alkoholabhängigkeit liegt vor, bei auffälligen Werten bzgl. der ICD-10-Fragen.

ICD-10-Fragen
(ICD: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems)

Sie finden nachfolgend Fragen, die sich auf Ihre Alkohol-trinkgewohnheiten beziehen.

• Spürten Sie (häufig) einen starken Drang, eine Art
  unbezwingbares Verlangen, Alkohol zu trinken?
• Kam es vor, dass sie nicht mehr aufhören konnten
  zu trinken, wenn sie einmal begonnen hatten?
• Haben Sie manchmal morgens getrunken, um Übel-
  keit oder das Zittern (z. B. Ihrer Hände) zu lindern?
• Brauchten Sie zunehmend mehr Alkohol. Bevor sie
  eine bestimmte (die gewünschte) Wirkung erzielten?
• Ändern Sie Tagespläne, um Alkohol trinken zu kön-
  nen bzw. richteten Sie den Tag so ein, dass sie regelmäßig
  Alkohol konsumieren konnten?
• Haben Sie getrunken, obwohl Sie spürten, dass der Alko-
  holkonsum zu schädlichen körperlichen, psychischen oder
  sozialen Folgen führt?

Auswertung
Bei mindestens drei positiven Antworten ist von einer Alkoholabhängigkeit auszugehen, sind es weniger ja-Antworten, dann bleibt es bei der zuvor auf Grundlage des CAGE-Fragebogens ermittelten Diagnose des schädlichen Alkoholgebrauchs bzw. Alkoholmissbrauchs.

Einen ausführlichen Test für Betroffene oder Angehörige finden Sie auch auf unserer Homepage.

Und dann wären da noch: Die “mehrfach Süchtigen”

Die armen Schweine (sorry) hat es doppelt und dreifach erwischt. Depressionen und Alkohol oder umgekehrt. Alkohol und Spielsucht. Drogen, Medikamente und Sexsucht und was weiß ich nicht alles. Diese Leute sind natürlich schwerst gebeutelt. Aber auch hier gibt es Abhilfe. Dauert dann natürlich dementsprechend.

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